Verfolgte Komponisten im Dritten ReichDokumentation über ein düsteres Kapitel deutscher Kulturpolitik
Kaum zu glauben, dass diese irrwitzigen Szenen erst sechzig Jahre zurück liegen. Man hört Joseph Goebbels vor der Reichskulturkammer 1936 über die Volksnähe der Kunst schwadronieren und sieht ihn beim Händedruck mit Richard Strauss, man erblickt Hitler vor der Bruckner-Büste in der Walhalla an der Donau und verfolgt fassungslos den Begeisterungstaumel der Menschen bei seinem Einzug in Bayreuth, man sieht Furtwängler unter riesigen Hakenkreuzfahnen zum Führergeburtstag Beethovens Neunte dirigieren. Diesen Szenen einer kollektiven Verblendung stehen die Äußerungen von ehemals Verfolgten gegenüber, die sich ins Ausland retten konnten und zur Entstehungszeit des Films noch lebten: Hochbetagte wie Ernst Krenek, Berthold Goldschmidt, Herbert Zipper und andere. Krenek erinnert an die Aggressionen, die sein damals populäres Werk Jonny spielt auf auslöste, Zipper beschreibt die Entstehung des Lieds Arbeit macht frei, das er mit dem Autor Jura Soyfer zusammen im KZ Dachau verfasste und das als sogenanntes Dachau-Lied bald von allen Häftlingen gesungen wurde. Wie Musik als Herrschaftsmittel missbraucht und als Mittel des Widerstands benutzt werden kann, macht diese Dokumentation unmittelbar einsichtig. Als Ergänzung zum Film enthält die DVD eine Reihe Musikausschnitte zu Standbildern, ein Gespräch des Petersen Quartetts mit der Witwe Krenek und ein eigentümliches Interview mit James Conlon über den 1944 in Auschwitz ermordeten Viktor Ullmann, in dem Schönberg als serieller Komponist bezeichnet wird und die Seriellen zusammen mit den Nazis dafür verantwortlich gemacht werden, dass Ullmanns Musik in Vergessenheit geriet. Dem informativen Dokumentarfilm hätte man nicht solche Tollpatschigkeiten ankleben dürfen. © Max Nyffeler 2004
(Juli/2004) |