Schneidiger Solti im Maskenball von VerdiKarajans Erbe: Die Salzburger Inszenierung von 1989
Die Produktion, die ein Jahr später aufgenommen und nun auf DVD herausgekommen ist, dokumentiert die Prunk- und Repräsentationsästhetik der Salzburger Karajan-Ära in ihrer reinsten Form. Für die Inszenierung verpflichtete Karajan den Hollywood-Regisseur John Schlesinger, der mit Midnight Cowboy 1969 drei Oscars gewonnen und 1981 an Covent Garden bereits Hoffmanns Erzählungen und 1985 den Rosenkavalier inszeniert hatte. In das pompös-realistische Bühnenbild von William Dudley stellt Schlesinger eine Hofgesellschaft des späten 18. Jahrhunderts und geizt nicht mit großen Gesten und Arrangements. An der Figur des Königs Gustavo gespielt wird die zu Verdis Zeiten von der Zensur verbotene „schwedische Fassung“ interessiert ihn weniger die modische Perspektive auf den angeblich schwulen metrosexual als die Instabilität des leichtsinnigen, zwischen Pflicht und Neigung schwankenden Herrschers. In Plácido Domingo findet er den souveränen Interpreten dieser problematischen Männerfigur. Überhaupt sind die Sänger das große Plus der Aufführung, die in ihrer aufgedonnerten Konventionalität manchmal eben doch leicht hohl wirkt: neben Domingo agieren Leo Nucci als markanter Charakterdarsteller, Florence Quivar als geheimnisvolle Seherin Ulrica, die brillante Sumi Jo als Oscar und Josephine Barstow in der Rolle der Amelia. Georg Solti hat die Wiener Philharmoniker fest im Griff, doch veranstaltet er mit seinen gehetzten Tempi eine wilde Jagd, die den Sängern kaum Atem lässt und auch den Chor des öfteren hinterherhecheln lässt. Es ist auch eine Kunst, Verdis Musik mit soviel kalter Brillanz herunterzusäbeln. © Max Nyffeler 2006
(März/2006)
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