Muntere Madrigalkomödie: L'Amfiparnaso von Orazio Vecchi

Szenische Aufführung mit "I Fagiolini"

Vecchi, L'AmfiparnasoBritische Musiker und Produzenten legen immer wieder viel Fantasie an den Tag, wenn es darum geht, klassische Vorlagen für die audiovisuellen Medien aufzubereiten. Das mag mit dem pragmatischen Kulturverständnis auf der Insel zusammenhängen, das weniger reflexionsbelastet ist als hierzulande und oft einen spontaneren, auch publikumsnäheren Zugang zu den Phänomenen ermöglicht. Geschieht dies dann noch in Verbindung mit der bekanntermaßen exzellenten englischen Gesangkultur vor allem bei alter Musik, so ist ein anregendes, im besten Sinn unterhaltsames Musikerlebnis garantiert.

Genau das ist der Fall bei der von der Firma Chandos in Eigenregie produzierten Madrigalkomödie L'Amfiparnaso von Orazio Vecchi (1550-1605), die vor einem Jahr im Rahmen der Dartington Summer School live aufgezeichnet wurde.

Das 1597 entstandene Werk steht noch ganz in der Vokaltradition der Renaissance. Doch indem es die Figuren und Handlungsmuster der Commedia dell'arte in der Art einer Nummerfolge in einen erzählerischen Zusammenhang bringt, nimmt es eine reizvolle Zwitterstellung zwischen konzertantem Madrigal und der im Entstehen begriffenen Oper ein.

Der Weg zum Musikdrama Monteverdis ist allerdings noch lang – die Affekte stehen unverbunden nebeneinander, bei den Figuren handelt es sich noch nicht um empfindsame Subjekte, sondern um Rollentypen. Was vor allem damit zusammenhängt, dass sie nicht als Individuen singen und handeln, sondern musikalisch stets nur durch den Ensemblegesang repräsentiert werden.

Vecchi sah in seiner Madrigalkomödie ein Spektakel für das Ohr und nicht für das Auge, eine szenische Aufführung zog er nicht in Betracht. Die gestenreiche Musik, der bisweilen derbe Wortwitz und die Handlungsmuster der Commedia dell'arte legen eine szenische Adaption jedoch nahe.

Der Regisseur Peter Wilson hat in Dartington einen erfolgreichen Versuch dazu gemacht. Das englische Vokalensemble "I Fagiolini" unter der Leitung von Robert Hollingworth  postiert er seitlich auf der Bühne, die Handlung wird durch vier maskierte Pantomimen dargestellt, die in insgesamt dreizehn Rollen schlüpfen. Personenführung und Bühnenbild sind bewusst einfach gehalten und damit der volkstümlichen Vorlage angemessen.

Getragen wird das Spiel ganz von der erfindungsreichen Musik, die zwischen Tanzrhythmen, illustrativen Figuren, Persiflage und empfindsamer Chromatik ein beeindruckendes Ausdrucksspektrum aufweist. Die sechs Gesangssolisten, vereinzelt unterstützt durch Laute und Cembalo, halten die Spannung fast über eine Stunde lang spielend aufrecht. Mit ihrer flexiblen, lebhaft charakterisierenden Deklamation verleihen sie dem Geschehen die nötige Tiefenschärfe – das Ohr formt die Szene entscheidend mit.

Um etwas von der respektlos-deftigen Diktion des Originals in die Gegenwart herüber zu retten, tritt vor jeder Nummer eine Art Erzähler auf, der den Inhalt in ebenso ungezogenen englischen Reimen ankündigt. Für die Videofassung wurden die Auftritte mit den jugendlichen Verliebten ins Freie verlegt. Solche Regieeinfälle verankern die historische Vorlage zwanglos in der Gegenwart, was dem Publikum den Zugang wesentlich erleichtert.

Die gleiche Sorgfalt in der Vermittlung zeigt sich auch in den dreisprachigen Untertiteln, den informativen Zusatztracks und im umfangreichen, reich illustrierten Booklet.

© Max Nyffeler 2004

DVD: Orazio Vecchi: L'Amfiparnaso / I Fagiolini, Ltg. Robert Hollingworth; Simon Callow, Erzähler; Pantonimen; Regie: Peter Wilson / Stereo und Dolby 5.1 / 57 min. plus Zusatztracks / Chaconne (Chandos) CH DVD 5029

(11/2004)

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