DVD Leopold StokowskiLeopold Stokowski, der Charismatiker

Ausschnitte aus dem Jubiläumskonzert von 1972 in der Royal Festival Hall

Leopold Stokowski, der 1977 mit fünfundneunzig Jahren starb, ist eine Dirigentenlegende des 20. Jahrhunderts. Das Philadelphia Orchestra, das er 1912-1937 leitete, erzog er zum heutigen Weltklasseorchester und brachte mit ihm Werke wie Amériques von Varèse oder das Klavier- und das Violinkonzert von Schönberg zur Uraufführung. Mit seiner Mitwirkung an Walt Disneys Fantasia schlug er der klassischen Musik in Hollywood eine Bresche, was ihm von Klassikpuristen allerdings nie verziehen wurde.

1972 brachte der neunzigjährige Stokowski in der Royal Festival Hall mit dem London Symphony Orchestra noch einmal das Programm zu Gehör, das er 1912, also sechzig Jahre zuvor, bei seinem Debut mit eben diesem Orchester dirigiert hatte. Das Konzert wurde für Stokowski zu einem unglaublichen Triumph. Teile davon sind nun in der Reihe "Classic Archive" bei EMI – leider in lieblos montierten Zusammenschnitten – dokumentiert. Stokowski lässt, wie schon in Philadelphia, zur Erhöhung der Klangintensität die Streichergruppen ohne einheitlichen Strich spielen. Er dirigiert ohne Stock, mit eigentümlich eckigen Bewegungen und oft mit geballter Faust. Kraft und Eleganz bilden eine vollendete Einheit, sein viel gerühmtes Charisma ist ungebrochen. Manche Tempi, etwa bei Beethovens Fünfter, wirken für unsere heutigen Ohren etwas behäbig, doch der schlanke und inspirierte Klang des Meistersinger-Vorspiels und vollends die betörend klangsinnliche Interpretation von Debussys Prélude à l'après-midi d'un faune setzen auch heute noch Maßstäbe.

© Max Nyffeler 2003

DVD: Leopold Stokowski dirigiert Beethoven, Schubert, Wagner und Debussy. Bonus-Track: Pierre Monteux dirigiert Dukas / PCM Mono / 93 Min. / EMI DVA 4928429

(September/2003)

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