Apokalypse, achtkanalig"Die Soldaten" von Bernd Alois Zimmermann in der Stuttgarter Inszenierung
Fast vier Jahrzehnte nach ihrer Uraufführung 1965 in Köln sind "Die Soldaten" von Bernd Alois Zimmermann noch immer eine große Herausforderung für das Musiktheater. Zu den exorbitant schweren Gesangspartien kommt die szenische Komplexität mit Simultanszenen und rasch wechselnden Situationen, was dem Ineinander der unterschiedlichen Stil- und Zeitebenen in der Musik entspricht. Eine Aufführung, die Maßstäbe setzte, ist nun auf DVD erhältlich: Die Produktion der Staatsoper Stuttgart von 1989, dirigiert von Bernhard Kontarsky und inszeniert von Harry Kupfer. Aufgenommen wurde mit nicht weniger als acht Kameras (Bildregie: Hans Hulscher), was die Aufzeichnung zu einer genuinen Filmversion macht. Mit ihrer Perspektivenvielfalt entspricht sie Zimmermanns Vorstellung vom "pluralistischen Klang" und ist von einer bloßen dokumentarischen Abbildung weit entfernt. Kupfers Inszenierung folgt weitgehend einem realistischen Ansatz, was angesichts der komplexen Vorlage für das Verständnis des Geschehens von Vorteil ist. Beeindruckend gelungen sind die Massenszenen, bei denen die Simultanhandlungen auf drei Bühnenebenen mit der Präzision eines Uhrwerks ineinander greifen. Sie kommen in der Videofassung ebenso wirkungsvoll zur Geltung wie die Nahaufnahmen. Im apokalyptischen Schlussakt stellt Kupfer die tödliche Entfremdung der Marie durch die Verdoppelung der Figur dar, und die Vision vom totalen Krieg unterstreicht er durch Film- und Diaprojektionen von realen Kriegsszenen. Musikalisch lässt dieser Zusammenschnitt von Live-Aufführungen kaum Wünsche offen. Solisten und Chöre bewältigen ihre schwierige Aufgabe mit Bravour, das Orchester unter Bernhard Kontarsky steht ihnen nicht nach. Der Gesamtklang ist von erstaunlicher Transparenz und kann qualitativ durchaus mit der bei Teldec 1991 erschienenen Studioproduktion mithalten. Störend ist allenfalls der häufige Richtungswechsel der Stimmen, hervorgerufen durch die Gänge der Darsteller zwischen den auf der Bühne angebrachten Mikrofonen. Den starken Gesamteindruck, den diese Aufzeichnung hinterlässt, schmälert das nicht. © Max Nyffeler 2002
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