James Dillon's Traumwerk als MusikfilmJohan Ramström setzt den Klang in intelligente Bilder um
Auch Dillon hat sich bei seiner Stückesammlung auf diese Worte bezogen. Die Violinduos, die er als „Book I“ seiner Traumwerk-Kompositionen veröffentlichte, sind einfallsreiche, zwischen spontaner Formbildung und konstruktiver Detailarbeit angesiedelte Stücke, instrumentaltechnisch pfiffig und klanglich abwechslungsreich gemacht. In der Aufnahme mit dem locker und präzis musizierenden Duo Gelland wird der Anspruch, der in Dürers Motto liegt, konsequent in ein kleines mediales Gesamtkunstwerk umgemünzt. Mit minimalen technischen Mitteln erreicht Ramström eine maximale Wirkung. Die insgesamt zwölf Sequenzen sind mit nur einer Kamera und zwei Mikrofonen live aufgenommen. Das Bild ist grundsätzlich in Schwarzweiß gehalten, doch werden ihm in der Nachbearbeitung gelegentlich einige klar definierte Farbtöne beigemischt; sie sind an einzelne Gegenstände gebunden oder dem Bild als Ganzes unterlegt. Die stark gestisch konzipierten Musik, die häufig aus der Körperbewegung heraus zu entstehen scheint, übersetzt der Film beim fulminanten Beginn in schnelle Kamerabewegungen, die das Bild im Raum kreisen und taumeln lassen. Schnelle Überblendungen und harte, klangsynchrone Schnitte wechseln sich ab mit bewusst verwackelten Einstellungen, und einmal kommt es zum Schwenk in den Scheinwerfer, so dass alles vom Weiß verschluckt wird. Der Einfallsreichtum, mit dem Ramström Bild und Musik zueinander in Beziehung setzt, ist beeindruckend. Das Spektrum reicht von der völligen Asynchronität von Klang und Bild über die Aufteilung der Bildfläche in mehrere Fenster und die Auflösung der Bildkonturen durch Mehrfachüberblendung bis zum rhythmisch gestalteten Spiel abstrakter Strukturen in der Art, wie es Joris Ivens in seinem Experimentalfilm „Regen“ von 1929 praktizierte, zu dem Hanns Eisler später die Musik schrieb. In jeder Sequenz wird ein anderer Aspekt ins Zentrum gerückt, ohne dass das Verfahren zum Schematismus verkommt: Einmal sind es die Finger-, Hand- und Armbewegungen am Instrument, einmal ist es der Raum, in dem die Musik erklingt, einmal fokussiert die Kamera mit langen, statischen Einstellungen die Gesichter der beiden Ausführenden, auf denen sich das musikalische Geschehen spiegelt. Einmal lässt der Film auch architektonische Wandornamente am Auge vorübergleiten. Das geschieht zwar in relativ abstrakter Weise, weckt aber doch Assoziationen an das aus konventionellen Musikfilmen bekannte Klischee, dass die Kamera beim langsamen Satz den goldenen Stuck der barocken Saaldecke abtastet. Doch vielleicht war’s ja ironisch gemeint. Insgesamt ist der Film mit hohem künstlerischem Sachverstand gemacht und zeigt, dass auch zeitgenössische Musik in eine konsistente Bildsprache übersetzt werden kann, ohne dass es zu einem Verlust für das Hören kommt. Den Weg gälte es weiter zu verfolgen. © Max Nyffeler 2008
(5/2008)
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