Hamelin spielt Jazz, Gould mit Karajan Beethoven und das BBC Orchester Werke von Judith Weir

Neue CDs im Juni 2008

Marc-André Hamelin: in a state of jazz (Werke von Friedrich Gulda, Nikolai Kapustin, Alexis Weissenberg und George Antheil) Marc-André Hamelin, ein Freund technisch-musikalischer Gratwanderungen, versprüht hier ein pianistisches Feuerwerk der ganz besonderen Art. Kompositionen aus dem Zwischenbereich von Jazz und Klassik der Pianistenkollegen Friedrich Gulda, Nikolai Kapustin und Alexis Weissenberg sowie die Jazz Sonata von George Antheil legt er mit einer Verve hin, die ihresgleichen sucht. Jazzige, mit fliegender Leichtigkeit hingeworfene Artikulation und knackige Rhythmen verbinden sich mit prachtvoll aufrauschenden  Klangkaskaden zu einem siebzigminütigen Höhenflug des Klavierspiels. Ein besonderes Highlight ist die zweite Sonate von Kapustin mit ihrer funkelnden Stil-Synthese von Ravel bis Erroll Garner. (Hyperion CDA 67656)

Judith Weir: The Welcome Arrival of Rain (Ailish Tynan, Sopran; BBC Singers, BBC Symphony Orchestra, Ltg. Martyn Brabbins) Die Komponistin Judith Weir ist eine charakteristische Stimme in der heutigen britischen Musik. Einen repräsentativen Einblick in ihr Schaffen geben die Werke für Gesang und Orchester, die nun unter der Leitung von Martin Brabbins eingespielt wurden. Die meisten kreisen um das Thema Natur, so das in leuchtenden Farben gehaltene, an ein altes Ritual erinnernde The Welcome Arrival of Rain, die Orchesterlieder Natural History über Texte des daoistischen Philosophen Chuang-tzu oder Moon and Star, ein impressionistisches Chor-Orchester-Poem nach Emily Dickenson. Es sind mystisch angehauchte Naturvisionen, erzählt mit sanft-eindringlicher Gestik und ohne Angst vor vokalem Wohllaut – vertraute Klänge, auf erfinderische Weise neu zum Sprechen gebracht. (NMC Records, NMC D137, Vertrieb Note 1)

Ludwig van Beethoven: Klavierkonzert Nr. 3 c-Moll; Jean Sibelius: Sinfonie Nr. 5 Es-Dur (Glenn Gould, Berliner Philharmoniker, Ltg. Herbert von Karajan) Von den beiden 1957 mit den Berliner Philharmonikern unter Herbert von Karajan live aufgenommenen Werken, der Fünften von Sibelius und Beethovens drittem Klavierkonzert, interessiert vor allem das zweite, ist der Solist doch Glenn Gould, der Karajans Ästhetik eher fernsteht. Zum Dissens wie 1962 mit Bernstein beim ersten Brahms-Konzert kommt es nicht; Goulds schlankes, geschmeidiges Spiel verträgt sich durchaus mit Karajans Klangideal. Doch im Detail hapert es im Zusammenspiel zwischen dem vorwärtsdrängenden Solisten und dem behäbig aufspielenden Orchester, und bei der Abnahme der Soli wird die Eins von Karajan mit schöner Regelmäßigkeit einen Sekundenbruchteil zu spät hingepatzt. Eine Kuriosität für Sammler, aber keine zwingende Entdeckung. (Sony 88697287822)

© Max Nyffeler

(Juni/2006)

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