Tiensuu, Lachenmann, N. A. Huber und moderne Klassiker aus ItalienNeue CDs im Mai 2007Jukka Tiensuu: Minds and Moods (Juhani Lagerspetz, Klavier. Tampere Philharmonic Orchestra, Ltg. Susanna Mälkki) Der 1948 geborene Komponist und Cembalist Jukka Tiensuu gehört zur Generation, die in den siebziger Jahren mit der Losung „Ohren auf!“ der finnischen Musik Neuland eroberte. Sein experimenteller Stil hat sich seither gewandelt, seine Eigenwilligkeit hat er sich jedoch bewahrt ein Schweigsamer, der keine langen Erklärungen abgibt, sondern seine Musik für sich selbst sprechen lässt. Mit vier erstmals veröffentlichten Orchesterwerken erweist sich Tiensuu als einer der großen unabhängigen Köpfe der Gegenwart. Es sind Klangerfindungen am Rande einer surreal anmutenden Tonalität, die mit ihrer raffinierten Farbigkeit und kraftvollen Rhetorik den Hörer in Bann ziehen. Exzellente Interpreten und ein brillantes SACD-Klangbild tun das ihre dazu. (Alba ABCD 224, Vertrieb Klassik Center) Werke von Luigi Dallapiccola und Goffredo Petrassi (Ensemble Dissonanzen) Sie sind zwar im gleichen Jahr 1904 geboren, doch könnte die Musik der beiden Altmeister der italienischen Avantgarde unterschiedlicher nicht sein: Luigi Dallapiccolas konstruktive, zwischen Zwölftontechnik und historisierender Neotonalität angesiedelte Kammermusik und die farbenprächtigen Ensemblewerke von Goffredo Petrassi. Kühl-intellektuell, doch stets einer gediegenen Klanglichkeit verpflichtet der eine, gestisch überschwänglich und vital der andere. Mit der geschickt zusammengestellten Werkauswahl lenkt das italienische Ensemble Dissonanzen die Aufmerksamkeit auf zwei große Figuren der Moderne, die zu Unrecht etwas aus dem Blickfeld geraten sind. Was an dieser CD besonders überrascht: Neue Musik kann auch ein Hörvergnügen sein. (Mode Records, mode 166) Nicolaus A. Huber: Seifenoper (Ensemble Recherche) Eine enorme gestische Vielfalt vom Schrittgepolter über gewaltige instrumentale Explosionen bis zum kollektiven Schrei, zeichnet die 1989 komponierte Seifenoper von Nicolaus A. Huber aus, dazu eine extreme Dynamik. Die semantisch aufgeladenen Klangzeichen machen aus dem konzertanten Stück eine hoch dramatische Angelegenheit. Die Musik verharrt aber stets im assoziativen Bereich; sie lässt der Fantasie viel Freiraum und suggeriert durch die Art, wie diese Klanggeschichten erzählt werden, dass da auch eine gehörige Portion Ironie mit im Spiel ist. Die gleiche scharf konturierte Klangsprache prägt auch das Gesicht der andern drei Stücke auf dieser CD. Keines aber ist ein so wirkungssicheres Stimulans für das Kino im Kopf wie die Seifenoper. (Coviello Contemporary, COV 60606) Helmut Lachenmann: Concertini, Kontrakadenz (Ensemble Modern, Ensemble Modern Orchestra, Ltg. Brad Lubman, Markus Stenz) Nach 25 Jahren erfolgreicher Konzerttätigkeit ist das Ensemble Modern in die Medienproduktion eingestiegen und hat ein eigenes Label gegründet. Den Beginn macht eine SACD mit zwei Hauptwerken von Helmut Lachenmann: Kontrakadenz für Orchester von 1970/71 und Concertini, das groß besetzte Ensemblewerk von 2005. Im frühen Orchesterstück, neu eingespielt mit dem Ensemble Modern Orchestra unter Markus Stenz, bilden die einst umstürzlerischen Methoden der Instrumentalbehandlung den Katalysator für mitreißende Klangprozesse, in den Concertini sind sie souveränes Mittel zur Herstellung eines facettenreichen Raumklangs. Farbigkeit und latente Dramatik von Lachenmanns Musik kommen im brillanten SACD-Klangbild optimal zur Geltung. (Ensemble Modern Medien EMSACD-001) © Max Nyffeler (Mai/2007) zurück zu CD-Rezensionen, Labelportraits |