Im Rhythmus des HandwerksNeuerscheinungen von Battistelli, Reimann, Kurtág, Mack und GolijovZwei Neuerscheinungen zum 70. Geburtstag von Aribert Reimann geben einen Einblick in das vielseitige Kammermusik- und Liedschaffen dieses großen Melodikers unter den Zeitgenossen. Wen-Sinn Yang, Axel Bauni und Cristina Bianchi präsentieren bei Wergo zumeist als Ersteinspielung Werke für Cello, Klavier und Harfe aus vier Jahrzehnten, während eine CD mit Vokalwerken den Liedkomponisten und Klavierbegleiter Reimann porträtiert. Catherine Gayer, Ernst Haefliger und Barry McDaniel sind die hochkarätigen Interpreten dieser Celan-, Eichendorff- und Plath-Vertonungen aus den Jahren 1968-81. (Wergo WER 6681 2 / Orfeo C 663 051 A) Das Bühnenwerk Experimentum Mundi von Giorgio Battistelli ist seit seiner Entstehung 1981 um die ganze Welt gereist und hat inzwischen Kultstatus erlangt. Über eine Dutzend Handwerker aus Battistellis italienischem Heimatdorf lassen darin ihre traditionelle Welt noch einmal in pittoreskem Realismus auf der Theaterbühne erstehen, wobei sie mit ihren Originalwerkzeugen hämmern, sägen, feilen, schleifen, klopfen und so ein mitreißendes rhythmisches Konzert veranstalten. Auch rein akustisch vermittelt die Aufzeichnung einen sehr anschaulichen Eindruck von dieser „opera di musica immaginistica“, in der der Klang der Werkzeuge nur durch Schlagzeug, einen Sprecher und Vokalisen von vier Frauenstimmen angereichert wird. (Stradivarius STR 33730) Wie aus Splittern von Wirklichkeit eine ganze Welt entstehen kann, zeigt György Kurtág in seinen Kafka-Fragmenten op. 24 für Frauenstimme und Violine. Nicht nur mit den Texten, die von der chassidischen Weisheit bis zur flüchtigen Alltagsimpression reichen, sondern auch musikalisch eröffnet der einstündige Zyklus weite Horizonte. Juliane Banse und András Keller bringen den konzentrierten Ausdruck und den Gestaltenreichtum dieser fein geschliffenen Miniaturen kongenial zur Darstellung. (ECM 476 3099) Drei Ensemblewerke des 1954 geborenen Dieter Mack hat das Ensemble Surplus unter James Avery eingespielt. Strenge Linearität mit scharf zeichnenden Farben, seltsam verknäuelte Rhythmen, metallene Schlagzeugakzente und abrupte Wechsel von Textur und Charakter verleihen den Stücken einen rituellen Anstrich. Ihre fremdartige Erscheinung ist ein ferner Reflex auf die langjährige Beschäftigung des Komponisten mit indonesischer Musik. Eine eigenständige Handschrift, weit entfernt vom marktgängigen Weltmusikgepantsche. (Zeitklang/Composers’ Art Label ez-13019) Irgendwo zwischen Mittelalter-Crossover, Klezmer-Tango und arabischer Mikromelodik ist dagegen die Musik von Osvaldo Golijov angesiedelt. Mit seinem Liederzyklus Ayre spürt der Argentinier mit jüdischen Wurzeln der ganz großen Synthese der Weltkulturen nach. In der eingängigen Mischung von Easy Listening und vitalem Ethnosound plus Elektronik wittert die Plattenfirma zu Recht einiges Marktpotenzial, zumal Dawn Upshaw die Songs mit verführerischer Stimme zu präsentieren versteht. Gekoppelt ist dieses schillernde Zwitterprodukt mit den 1964 entstandenen Folks Songs von Luciano Berio. (DGG 00289 477 5414) © Max Nyffeler (Mai/2006) zurück zu CD-Rezensionen, Labelportraits |