Das Interpretenportrait

Der letzte der Patriarchen

Zum 100. Geburtstag von Paul Sacher

Mit sechs wünschte er sich eine Geige, mit sechzehn wusste er, dass er Dirigent werden wollte. Nach den ersten Gehversuchen mit einem Schülerensemble gründete er mit zwanzig das Basler Kammerorchester, das mit seinen Uraufführungen und dem neuartigen Repertoire sechs Jahrzehnte lang das Musikleben seiner Heimatstadt entscheidend prägen sollte. Sein Aktionsfeld verdoppelte er 1941 mit der Gründung eines zweiten Orchesters, des Collegium Musicum Zürich.

Paul Sacher wusste nicht nur stets, was er wollte, sondern er verband die Realisierung seiner Wünsche auch mit einer Vorliebe für runde Jahreszahlen. 1936, da war er gerade dreißig, erteilte er Béla Bartók seinen ersten Kompositionsauftrag und erhielt von ihm die „Musik für Saiteninstrumente, Schlagzeug und Celesta“. Mit vierzig bestellte er bei Strawinsky das Concerto in D. Beide Werke dirigierte er auf den Tag genau zum zehn- beziehungsweise zwanzigjährigen Bestehen seines Kammerorchesters.

Und so geht es weiter bis ins hohe Alter. Zum Fünfzigsten nimmt Sacher in Salzburg die Mozart-Medaille entgegen. Zum Sechzigsten huldigt ihm eine ganze Komponistenschar mit Variationen über ein Thema von Bartók. Zu seinem Siebzigsten sammelt Mstislav Rostropovitch Solowerke für Cello und gibt als „Thema“ den Namen des Widmungsträgers vor: die Tonfolge Es-A-C-H-E-re (wobei re für D steht). Die Auswahl der zwölf beteiligten Komponisten reicht von Britten bis Boulez, von Henze bis Lutoslawski, von Berio bis Huber.

1986, mit achtzig, stellt Sacher die bis dahin angesammelten Schätze seiner dreizehn Jahre zuvor gegründeten Stiftung – Partiturhandschriften, Skizzen und Briefe vieler bedeutender Komponisten des 20. Jahrhunderts – erstmals der Öffentlichkeit vor. Im Zentrum einer weiteren Ausstellung steht der Nachlass von Igor Strawinsky mit seinem Hauptstück, dem Autograph des „Sacre du printemps“. Für den Inhalt der hundertsiebzig Archivschachteln hat Sacher zwölf Millionen Franken hingeblättert.

Ein letztes Geburtstagsfeuerwerk lässt er zum Neunzigsten steigen: Am 1. Oktober 1996 eröffnet in  Basel das von  Mario Botta entworfene Jean Tinguely-Museum. Gestiftet wird es von der Chemiefirma Hoffmann-La Roche, dem Unternehmen, das zu wesentlichen Teilen seiner sieben Jahre zuvor verstorbenen Ehefrau Maja Sacher-Stehlin gehörte und in dem er neben seiner künstlerischen Tätigkeit jahrelang als Mitglied und Vizepräsident des Verwaltungsrats aktiv war.

Als Paul Sacher 1999 stirbt, hinterlässt er ein Lebenswerk von imposanten Ausmaßen. Der Nachwelt erscheint er als moderner Renaissancemensch, als Künstler, praktischer Wissenschaftler und Unternehmer in einer Person mit einem weit in die Gesellschaft hineinwirkenden Gestaltungswillen. Und als ein Dirigent, der schon zu Lebzeiten zur literarischen Figur wurde – in Thomas Manns „Doktor Faustus“ besucht Adrian Leverkühn eines seiner Konzerte in der Basler Martinskirche.

Über zweihundert Werke hat Sacher im Lauf der Jahre in Auftrag gegeben und uraufgeführt, zahllose Komponisten, von der internationalen Berühmtheit bis zum Tonsetzer aus der Provinz, verdanken ihm entscheidende Förderung. Eine ähnliche Bilanz als Musiker und Mäzen haben im zwanzigsten Jahrhundert allenfalls noch Thomas Beecham und Serge Koussevitzky vorzuweisen – beides ebenfalls Dirigenten mit Familienvermögen im Hintergrund. Sacher hatte ihnen voraus, dass er auch als Konzernlenker Meriten vorweisen konnte.

Auf geradem Weg nach oben

Paul Sacher wurde am 28. April 1906 in ein kleinbürgerliches Milieu hineingeboren. Sein Vater war Speditionsangestellter, seine Mutter, eine Schneiderin, lehrte ihn: „Das, was du willst, das kannst du.“  Früh lernte er die gesellschaftlichen Chancen erkennen, die sich dem Tüchtigen in der bürgerlich-weltoffenen Stadt Basel boten. Als Gymnasiast begegnete er dem Diplomaten und Historiker Carl Jacob Burckhardt, dem nachmaligen Hochkommissar von Danzig, der mit Hofmannsthal, Rilke und Graf Keyserling in Kontakt stand. Burckhardt lud ihn zu Gesprächen in sein Anwesen auf dem Schönenberg, einer Anhöhe außerhalb Basels. Zehn Jahre später kaufte ihm Sacher das Areal ab, um hier seine eigene Villa zu bauen.

Der junge Dirigent hatte etwas von einem amerikanischen Selfmademan. Als Autodidakt mit der Praxiserfahrung des Schülerorchesters suchte er den Zugang zu den Dirigierkursen von Felix Weingartner; der ehemalige Wiener Hofoperdirektor war 1927 zum Chef des Basler Orchesters ernannt worden. Da er nur Geige, nicht aber Klavier spielen konnte und im Kurs Partiturspielen gefragt war, musste er bei Weingartner erst Überzeugungsarbeit leisten, um aufgenommen zu werden. Was du willst, das kannst du.

Bei einem Geburtstagsempfang für Weingartner lernte Sacher seine spätere Ehefrau, die zehn Jahre ältere Maja Hoffmann-Stehlin kennen. Die Witwe des jung verstorbenen Emanuel Hoffmann, eines Hauptaktionärs von Hoffmann-La Roche, war ausgebildete Bildhauerin, sammelte Kunst und pflegte freundschaftliche Kontakte zu vielen Malern. Sie heirateten 1934, und auf der Hochzeitreise sagte sie zu ihm: „Ich die Kunst, du die Musik und das Geschäft.“ Nach seiner Mutter war sie die zweite starke Frau, die ihm den Weg wies.

Wie er sich seine neue Rolle als Musiker und Konzernleiter vorstellte, verrät ein Satz in seinem ein Jahr später veröffentlichten Aufsatz „Kunst und Krise. Gedanke zur Musikorganisation“: „In Politik und Wirtschaft bleiben die Mittel immer dieselben. Sie sind gemein und streben nach Macht. Sie werden geadelt, wenn sie im Dienste eines überlegenen Geistes stehen. Sie zerstören, wo sie um ihrer selbst willen oder zur Befriedigung persönlichen Ehrgeizes da sind.“

Maja Sacher war eine architektonische Begabung. Das Haus auf dem Schönenberg entstand im Bauhausstil nach ihren Plänen, die Inneneinrichtung war ganz auf ihre umfangreiche Gemäldesammlung abgestimmt. Es war ihr Geist, der hier herrschte. Hier war auch das Zentrum, wo die Fäden von Sachers internationalen Verpflichtungen zusammenliefen, es war Ort der Hauskonzerte weltberühmter Interpreten, glanzvoller Empfänge und intimer Gastlichkeit.

Der Hausherr, dessen Verschwiegenheit in privaten wie geschäftlichen Dingen jahrzehntelang sprichwörtlich war, bekannte in seinen letzten Lebensjahren seiner Biographin Lesley Stephenson, er habe sich immer wie ein Krieger gefühlt, der hier sein Zuhause hatte: „Meine Kriegsschauplätze waren immer Weiber oder Konzerte oder so – hier fand ich meinen Frieden, meinen Schutz.“ 

Kunst und Krise

Sachers künstlerische Initiativen verraten den Weitblick eines Mannes, der ein waches Gespür für die Krise der Epoche hatte, der den Substanzverlust der Kunst und ihre Instrumentalisierung durch totalitäre Systeme nicht hinnehmen wollte. Seine Jugend fällt in die Umbruchzeit nach dem Ersten Weltkrieg. Er befasst sich mit den Ideen der Reformpädagogik, mit August Halm und der Freien Schulgemeinde von Wickersdorf, mit der Jugendmusik eines Fritz Jöde und mit Hindemiths Schulwerk.

Die Zeit nimmt Abschied von den romantischen Idealen des 19. Jahrhunderts, und Sacher ist ihr gelehriger Schüler. Er sucht nach einer neuen, lebensnäheren Musikpraxis und steht dem Ruf nach dem großen Mann und dem Genie skeptisch gegenüber: „Was aber getan werden kann als einzige Reform, kann nur durch die Erziehung, dadurch, dass sie sich ein neues Publikum, eine neue ehrfurchtsvolle musikalische Gemeinde schafft, geschehen.“

Das gelingt ihm in langer, zäher Aufbauarbeit mit seinen beiden Kammerorchestern. Für dasjenige in Basel gelten jahrelang strenge Regeln. Man musiziert um der Sache willen und nicht zum Gelderwerb. Sacher hält das Ensemble durch Spenden seiner gut situierten Anhänger und sich selbst als Männerchordirigent über Wasser. Regelmäßige Gagen gibt es erst viel später.

Musiker, Stammpublikum und zunehmend weitere Kreise vereint er zu einer verschworenen Gemeinde, die mit ihm durch dick und dünn geht und sich alles, vom unbekannten Meisterwerk des 17. Jahrhunderts bis zur Uraufführung, willig anhört. Er weiß, dass er die Zuhörer verführen kann, indem er sie nicht unterfordert.

Nach sechs Jahrzehnten musikalischer Erziehungsarbeit stellt er fest: „Es gibt in Basel ältere Herrschaften, die sagen, dass sie durch das Kammorchester den Weg zur Musik gefunden haben und dass ihre musikalische Erziehung in diesen Konzerten stattgefunden habe. Die Leute haben vieles gehört, das ihnen gefallen hat, ihr Appetit auf Ähnliches und Neues ist dadurch gestiegen, und sie sind einen Weg mit mir gegangen, der ihnen Befriedigung und Freude gebracht hat.“

Als er im hohen Alter den Dirigentenstab beiseite legt, löst er seine beiden Kammerorchester auf. Mit ihnen konnte er seine Vorstellungen von einer neuen Musikkultur auf ganz persönliche Weise verwirklichen.

Sachers Programme konzentrierten sich auf Barock, Klassik und das zeitgenössische Schaffen; große Werke der Romantik schloss die Kammerorchesterbesetzung zwangsläufig aus. Neben Schweizer Komponisten wie Arthur Honegger, Frank Martin, Willy Burkhard und den nachrückenden Jungen dirigierte er Zeitgenossen aus ganz Europa, von der klassischen Moderne bis zur Generation von Wolfgang Rihm.

Als Dirigent blieb Sacher eher ein solider Handwerker, Gefühlsüberschwang und Glamour waren ihm fremd. Er fühlte sich hingezogen zur formalen Klarheit des Neoklassizismus, die überragende Figur des 20. Jahrhunderts war für ihn Strawinsky. Die expressiv aufgeheizte Musiksprache der Wiener Schule entsprach seinem durchaus bodenständigen Naturell weniger; deren beredte Anhänger waren für ihn Bannerträger einer Heilslehre, ihrer Fortschrittsgläubigkeit misstraute er.

Ebenso zielstrebig wie der Orchesterleiter und Auftraggeber ging der Institutionsgründer Sacher vor. Eine visionäre Tat war die Gründung der Schola Cantorum Basiliensis im Jahr 1933. Alte Musik faszinierte ihn stets ebenso sehr wie die zeitgenössische, doch kam er als Dirigent bald zur Einsicht, dass das moderne Orchester für ihre Wiedergabe wenig taugte. Ihr „Geheimnis“, wie er es nannte, lag für ihn in ihrer Fähigkeit, auch starke seelische Erschütterungen noch im intimen Kammermusikton, mit diskretesten klanglichen Mitteln auszudrücken. Um diesem Geheimnis auch wissenschaftlich auf die Spur zu kommen, gründete er sein Institut zur Erforschung und Aufführung alter Musik.

Unterstützung für seine Pioniertat fand der Siebenundzwanzigjährige bei Gleichgesinnten – bei Männern und Frauen der Praxis wie dem Gambenspieler August Wenzinger, beim Sänger Max Meili und der Hymnologin Ina Lohr, die schon früh für die Besetzung hoher Vokalpartien mit Countertenören eintrat. Einen Sammler alter Instrumente konnte Sacher überreden, seinen ganzen Bestand der Schola Cantorum zu übergeben.

Zwei Jahrzehnte nach der Gründung gelang ihm das strategische Kunststück, sein privates Institut unter das Dach der staatlich subventionierten Basler Musikakademie zu bringen, ohne dass sie ihre institutionelle Eigenständigkeit verlor. Um den Schachzug abzusichern, ließ er sich zugleich zum Direktor der gesamten Akademie ernennen. 

Subventionen für den Milliardär?

Das Verhältnis des wohlhabenden Dirigenten zur Obrigkeit war nicht immer spannungsfrei. Sein künstlerisches Engagement war den staatlichen Stellen willkommener Anlass, den Subventionshahn möglichst weit zuzudrehen. „Offenbar werden die materiellen Verhältnisse meiner Familie, die mir erlauben, dem Collegium Musicum Zürich ohne jede Entschädigung zur Verfügung zu stehen, in unzulässiger Weise mit der finanziellen Lage des Collegium Musicum Zürich in Verbindung gebracht“, beschwerte er sich im hohen Alter über die knauserigen Zürcher Kulturpolitiker, die zögerten, die für das städtische Musikleben überaus befruchtende Konzertreihe Sachers angemessen zu unterstützen. Sie fürchteten wohl insgeheim den populistischen Vorwurf, einen Milliardär zu subventionieren. Was zum Berufsstolz jedes Musikers gehört, dass er für seine Arbeit auch ein entsprechendes Honorar erhält: diese Regel galt für Sacher nicht. Von ihm erwartete man, dass er gibt.

Das tat er denn auch nach allen Seiten. Er bekomme jeden Tag ungefähr zwanzig Bettelbriefe, ließ er einmal verlauten. Sie kamen von der Dorfmusik, die ihn um eine neue Uniform anging („Sie sind doch auch Musiker und wissen, wie das ist“), vom Verleger, der für einen armen Komponisten bettelte, von der Musikschule, die ein neues Klavier brauchte. Oft zahlte er ohne viel Aufhebens.

Auch die Musikakademie, deren Direktor er war, profitierte von ihm. „Wenn dieser Staat das nicht bezahlen kann, bezahle ich es eben“, sagte er, wenn das Geld für die nötigen Anschaffungen wieder einmal nicht zur Verfügung stand. Was andererseits aber auch bedeutete, dass ihm bei seinen Entscheidungen weder Verwaltungsdirektoren noch kollegiale Bedenkenträger hineinreden konnten und  zeitraubende Grundsatzdebatten gar nicht erst aufkamen.

Das Einmalige an dieser Symbiose von staatlicher Bildungseinrichtung und privater Initiative war, dass es sich nicht um ein vertraglich geregeltes Sponsoring im heutigen Sinn handelte, sondern um spontane Entscheidungen eines Mannes, der das Geld an sich selbst verteilte: Es wanderte einfach aus seiner linken Hosentasche, die dem Unternehmer und Mäzen gehörte, in seine rechte, in der die Hand des Hochschuldirektors steckte. 

Der Netzwerker

Wo so viel Tatkraft sich mit märchenhaftem Reichtum paart, wächst demokratisches Misstrauen. Das Wort machte die Runde, dass in Basel keine Organistenstelle ohne sein Zutun besetzt würde. Und Sacher verstand es glänzend, seinen Einfluss im Musikleben geltend zu machen.

Er war ein begnadeter Netzwerker, der in allen Institutionen Leute sitzen hatte, auf die er sich verlassen konnte. Seine beiden Kammerorchester in Basel und Zürich waren gesellschaftlich optimal verankert, ihre Vereinsvorstände bestanden aus führenden Persönlichkeiten aus Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft. Sein Organisationstalent, unter Musikern nicht eben eine verbreitete Eigenschaft, verhalf ihm  auf natürliche Weise zum Einsitz in die Gremien wichtiger nationaler Kulturinstitutionen und Verbände.

Auch seine internationalen Verbindungen waren beachtlich, was teils mit seinen Gastdirigaten, teils aber auch mit seiner Fördertätigkeit zu tun hatte. Sein Beziehungsnetz reichte vom Glyndebourne Festival bis zur Musikakademie Krakau, von Pierre Boulez’ Ircam in Paris bis zur Siemens-Musikstiftung in München, wo er als langjähriger Kuratoriumsvorsitzender zuschauen konnte, wie die Komponisten, deren Manuskripte er sammelte, mit schönster Regelmäßigkeit auch den großen Musikpreis bekamen.

„Paul ist der letzte der großen Patriarchen. Seine zurückhaltende Art und sein außergewöhnliches Flair erinnern an einen florentinischen Medici-Prinz“, schrieb Niki de Sainte Phalle in einem Begleittext zur Veröffentlichung der an Sacher gerichteten Briefe Jean Tinguelys. „Macht ist ihm ganz selbstverständlich; er schätzt sie und ist mit ihr vertraut.“ Tinguely nannte ihn einen „magicien“.

Die Durchsetzungskraft des Machers und Charismatikers, der seine Vorhaben im Stillen reifen ließ und im Moment der Realisierung seine Umwelt hundertprozentig dafür einzunehmen wusste, bewunderten alle, die ihn kannten. Was er anfasste, gelang. Sein Reichtum war ihm dabei zweifellos behilflich, doch seine Tatkraft, die sich auf so vielen Gebieten auslebte, hatte andere Wurzeln. Wer ihn darauf ansprach, erhielt nur zur Antwort: Das liegt in meiner Natur. 

Hey-baba-rebop und der Sinn des Lebens

Im Alter kommt hinter der Fassade des diskret agierenden Konzernherrs, Dirigenten und Mäzens zunehmend der Privatmann Sacher zum Vorschein. Familiäre Beziehungen, die er lebenslang geheim gehalten hat, treten ans Licht, sein Leben erhält einen neuen Sinn. Aus dem in sich verschlossenen Willensmenschen, der lange den Eindruck machte, seine ganzen Emotionen nur auf die großen Ziele zu richten, die er sich als junger Mann gesteckt hatte, wird ein neugieriger und leutseliger Patriarch.

Er pflegt eine herzliche Freundschaft mit den Musikern des Basler Schlagzeug Ensembles, seiner letzten Ensemblegründung von 1978. Einer davon, Jean-Claude Forestier, macht ihn mit Lionel Hampton bekannt und holt ihn zu privaten Jam Sessions mit dem Jazzmusiker. Er hat seinen Spaß daran, lernt „hey-baba-rebop“ buchstabieren und lädt Hampton zu sich auf den Schönenberg ein. Dieser wiederum ruft ihn mitten in der Nacht aus Amerika an und erzählt ihm die neuesten Witze, die er gerade von Ronald Reagan gehört hat.

Reichtum sei nur ein Lehen und bedürfe der Rechtfertigung durch das, was man tue, pflegte Sacher auf Fragen nach seinem Geld zu antworten, und sein Tätigkeitsgebiet sei nun eben die Musik. Den Glauben an ihre existenzielle Bedeutung für den Menschen verlor er nie. „Über das innere Schicksal des Menschen entscheiden keine äußeren Mächte“, notiert er. „Die Künste als Demonstration des Geistes, als geheimnisvolle Mittler geistig-seelischer Werte, und ihre Schöpfer sind in diesem tieferen Sinne die wahren Führer der Menschheit.“ Worte, die nach Altersweisheit klingen. Paul Sacher brachte sie 1935 zu Papier, und da war er gerade neunundzwanzig Jahre alt.

© 2006 Max Nyffeler.
Eine gekürzte Version dieses Textes ist erschienen in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 29.4.2006.

Siehe auch Beckmesser-Kolumne Mai 2005, Der Mäzen.

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