Antonín Dvoráks Märchenoper Rusalka

Rusalka DVD-CoverWenn Männerträume wahr werden: Die Pariser Inszenierung von Antonín Dvoráks Rusalka zeigt einen Moment lang, wie das ist. Der Prinz findet bei der Rückkehr von der Jagd eine blonde Schönheit in seinem Schlafzimmer vor, die ihn stumm-verliebt anhimmelt und vielsagend mit ihren Locken spielt, worauf er messerscharf folgert, dass dies doch eigentlich sein wertvollstes Reh sei: "Bist du gar gekommen, um dich mir als Beute anzubieten?" Vorsorglich schlägt er schon einmal die Bettdecke zurück. Doch leider stoßen auch in der Oper Männerfantasien an ihre Grenzen. Im Moment, da der Prinz seine Tenorarie dem brünstigen Höhepunkt zuführt, entzieht sich ihm das verführerische Reh verschreckt. Das prinzliche Schlafzimmer ist eben doch nicht ganz seine Welt. Der erste Akt endet in Ernüchterung.

Dvoráks Rusalka, die zauberhafte Märchenoper mit einer nicht weniger zauberhaften Musik, erzählt viel über Archetypen des Geschlechterverhaltens und noch viel mehr über das Triebleben der bürgerlichen Gesellschaft an der Schwelle des 20. Jahrhunderts. Heute lässt sich das noch weniger als damals als naives Märchen erzählen. Wenn da die großartig inspirierte Musik mit ihrer lyrischen Pracht nicht wäre, ließe sich leicht eine Inszenierung denken, die die Vorlage in der Art einer Gender Study kritisch auseinander nimmt. Dann wäre aber der ganze Zauber dahin.

Robert Carsen, der Regisseur der Produktion aus der Pariser Bastille von 2002, und sein Bühnenbildner Michael Levine wählten eine andere Lösung, die aber ebenfalls viele Fragezeichen aufwirft. Sie projizieren das Märchen in eine designerhafte Innenarchitektur, das dank perfekter Bühnentechnik problemlos zwischen einer Art Swimmingpool und dem hochherrschaftlichem Schlafzimmer wechselt. Dem gehobenen Wohngeschmack des Publikums mag dies entgegenkommen, doch der für den Inhalt der Oper bestimmende Gegensatz zwischen Natursphäre und sterblicher Menschenwelt wird somit zivilisatorisch aufgehoben.

Musikalisch lässt die in tschechischer Originalsprache gesungene Aufführung kaum Wünsche offen. Renée Fleming gibt nicht nur szenisch, sondern auch stimmlich eine verführerische Rusalka mit tragischen Untertönen, und auch die andern Rollen bis hinunter zum Terzett der Waldnymphen sind vorzüglich besetzt. James Conlon am Pult bringt die blühenden Melodien und die farbensatte, aber stets luftig instrumentierte Orchesterbegleitung mit großer Intensität zum Klingen.

© Max Nyffeler 2004

DVD: Antonín Dvorák: Rusalka / Opéra National de Paris, 2002 / Renée Fleming, Sergei Larin, Larissa Diadkova, Franz Hawlata u.a., R: Robert Carsen, ML: James Conlon / Tschechisch m. UT / LPCM Stereo, DTS und Dolby 5.1 / 155 min. / TDK DV-OPRUS (2 DVD

(Mai/2004)

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