Das digitale MärchenbuchChristian Chaudet verfilmt Le Rossignol von Igor Strawinsky
Durch die Verpflanzung des Geschehens in eine virtuelle Realität verbindet sich der Märchenzauber mit den unbegrenzten Möglichkeiten der Technik. Das Resultat ist so etwas wie eine Poetisierung der digitalen Welt. Die Filmerzählung entwickelt sich aus dem Blick eines kleinen Jungen auf eine Vase. In seiner Imagination beginnen die abgebildeten Figuren zu leben und man landet am Hof des Porzellankaisers, wo die Lampions reden und die Höflinge bizarr durch den Raum schweben. Die Orchesterinstrumente werden als Trickgegenstände in die Inszenierung einbezogen; die Bläser kommentieren das Geschehen mit ironischen Fanfaren, die Bogenbewegungen der Streicher werden zu einem Wald gefährlicher Speere. Es ist klar, dass bei einem so außergewöhnlichen Unternehmen die Postproduktion ebensoviel Gewicht erhält wie die Film- und Tonaufnahmen. Dankenswerterweise wurden der Aufzeichnung ausführliche Zusatztracks beigegeben, in denen die Verfahren der digitalen Nachbearbeitung Schritt um Schritt erläutert werden. Der Blick hinter die Kulissen ist instruktiv. Er vermittelt einen Eindruck von den inzwischen schon fast Routine gewordenen, beinahe uferlosen Möglichkeiten der Bildmanipulation durch den Computer. Und er lehrt wieder einmal, dass die Technik an sich weder gut noch böse ist. Es kommt nur darauf an, was man mit ihr anstellt. © Max Nyffeler 2006
(Januar 2006)
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