Die harte Schule der Peking-Oper: Ein Blick hinter die Kulissen

Wie werde ich ein "militärisch-akrobatischer Clown"?

Peking-OperAusdauer, Konzentration und Training bis zur Selbstverleugnung sind die Voraussetzungen, wenn man im heutigen Spitzensport etwas werden will. Das gilt auch für die Peking-Oper, die Gesang, Sprache, Tanz und akrobatischen Kampfsport zu einer Einheit auf allerhöchstem Niveau verschmilzt. Einen Einblick in die Ausbildung bietet nun die Dokumentation Les Enfants de l’Opéra de Pékin (Die Kinder der Peking-Oper).

200 Kinder und Jugendliche aus ganz China im Alter werden an der Schule der Peking-Oper in der chinesischen Hauptstadt ausgebildet. Es ist eine Internatsschule mit achtjähriger kostenpflichtiger Ausbildung und strengem Lehrplan. Aufstehen um halb sieben, vor dem Frühstück schon ein kleines Aufwärmtraining und die Begrüßung im Chor: Guten Morgen, Herr Lehrer! Unterrichtet wird bis fünf, davon die Hälfte Ausbildung in Peking-Oper; Kampfkunstlektionen gibt’s am Abend zusätzlich. Um 21.30 Uhr werden im militärisch wirkenden Schlaftrakt die Lichter gelöscht. Disziplin ist das A und O bei dieser Kunstform, die von den Darstellern das Äußerte an körperlicher und geistiger Präsenz verlangt. „Zehn Jahre Training für eine Minute auf der Bühne“, sagt ein Lehrer, „die Schüler stehen stark unter Druck.“

Gleich zu Beginn der Ausbildung wird den Kleinen ein bestimmter Rollentyp zugewiesen. Die Identifikation der Schüler mit ihrer Rolle ist vollkommen. Ein Knirps, der das Fach des militärisch-akrobatischen Clowns lernt, zählt die Attraktionen in der Oper „Das Wirtshaus am Scheideweg“ auf: „Da gibt es Tisch-Kung-Fu, Schwerterkampf, den Verbrecherkäfig, Särge usw.“ Die Mutter eines andern Sprösslings, die selbst Peking-Oper gespielt hat, betont die Verantwortung der Chinesen für die Pekingoper: „Ich wünsche mir, dass unsere Kultur durch den Fleiß meines Sohnes in die ganze Welt hinausgetragen wird.“

Beim Musikunterricht werden die Zöglinge in kleinen Gruppen gedrillt, bis sie die richtige Artikulation auf der Flöte, den richtigen Ausdruck im Gesang finden, der Lehrer schlägt dazu mit einem Stock rhythmisch auf den Tisch. Eine Neunzehnjährige, die vor ihrer Karriere steht, sagt, sie habe mit zwölf bei einem Aufenthalt in Japan angefangen, den schweren „Lange-Seidenbänder-Tanz“ einzustudieren: „Ich schaue mir so oft wie möglich die Götterstatuen in den buddhistischen Tempeln an. Dann trainiere ich diesen kraftvollen Blick in ihren Augen und ihre Körperhaltung. Aber wir bleiben nun mal Menschen. Wir sind nicht perfekt.“

Wenn man sich bei einer Operntruppe bewirbt, hat man nach sechs bis sieben Jahren „ein wenig Bühnenerfahrung“, sagt ein anderer. „Wenn man dran bleibt und seine Chance nutzt, kann man Opernschauspieler für eine bestimmte Rolle werden.“ Der Kampf ist nie zu Ende.

© Max Nyffeler 2009

DVD: Les Enfants de l’Opéra de Pékin (Die Kinder der Peking-Oper), Dokumentation von Don Kent und Christian Dumais-Lvowski / D, F, E / Bild 4:3 NTSC, Ton Stereo / 52 min. / BelAir BAC 038

(1/2009)

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