Puccini outdoors: Madama Butterfly und ToscaDGG veröffentlicht Opernfilme aus dem Unitel-Archiv
Das Label DGG hat nun die erste Folge einer auf vier Jahre geplanten Unitel-Edition herausgegeben, darunter Opern von Mozart bis Puccini Mainstream-Repertoire, wie es auch ein Karajan liebte. Es handelt sich dabei aber nicht einfach um abgefilmte Bühnenaufführungen, sondern um Verfilmungen in Studiodekors oder sogar an Schauplätzen im Freien. Das bedeutet nicht nur einen erheblichen finanziellen Aufwand, u.a. weil der Soundtrack im Studio vorproduziert werden muss, sondern es hat auch künstlerische Konsequenzen; eine Oper verändert sich, wenn sie aus dem ästhetischen Rahmen des Bühnenportals herausgenommen und in neue Räume verpflanzt wird. Bei der Tosca-Produktion von 1976 handelt es sich um eine genuine, in sich absolut stimmige Outdoor-Verfilmung. Die Musikaufnahmen mit Raina Kabaivanska, dem strahlend jungen Plácido Domingo und Sherrill Milness in den Hauptrollen entstanden in London. Der Film in der Regie von Gianfranco de Bosio wurde hingegen an den Originalschauplätzen in Rom gedreht: In der Kirche Sant’Andrea della Valle, im Palazzo Farnese und in der Engelsburg am frühen Morgen. Am Schluss springt die Tosca tatsächlich von der Zinne in die Tiefe. Abgesehen von ihrer „authentischen“ Wirkung hat diese Inszenierung, die auf alle Opernmätzchen verzichtet, auch den Vorteil, dass nach Toscas „Vissi d’arte“ das obligate „Brava!“-Geblök des Publikums entfällt und man sich ganz auf die Musik und das Geschehen konzentrieren kann. In Madama Butterfly mit Mirella Freni und Plácido Domingo, inszeniert 1974 von Jean-Pierre Ponnelle, dient das zerbrechlich-transparente Ambiente eines japanischen Hauses als Schauplatz der grausamen Story zwischen dem amerikanischen Marineleutnant und der zum Spaß geheirateten jungen Japanerin. In der Befreiung aus der Enge der Opernbühne zeigt sich das 1904 uraufgeführte Stück von ungebrochener Aktualität: Ein Drama über den Zusammenprall der Kulturen, das mit psychologischer Präzision die Machtverhältnisse der Geschlechter auf den Punkt bringt und dabei drei Jahrzehnte Frauenliteratur locker in den Schatten stellt. Zumal mit der auf großartige Weise parteiergreifenden Musik Puccinis, deren Farbreichtum von den Wiener Philharmonikern unter Karajan mit dramatischer Intensität entfaltet wird. © Max Nyffeler 2005
(Juli/2005)
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