Puccini outdoors: Madama Butterfly und Tosca

DGG veröffentlicht Opernfilme aus dem Unitel-Archiv

Cover Madama ButterflyCover ToscaEin Buhmann der Medienbranche entpuppt sich im Rückblick als spendabler Musikfilmproduzent, und es wäre nicht verwunderlich, wenn er wenn bei zunehmend härteren Zeiten für die Kultur demnächst noch als selbstloser kultureller Wohltäter gefeiert würde. Gemeint ist Leo Kirch und seine Firma Unitel. Zusammen mit seinem Compagnon Karajan produzierte er ab 1964 insgesamt über 600 Stunden Musikfilme, vom Kammerkonzert bis zur großen Oper, alles in jeweils neuster Technik und mit führenden Künstlern. Und ohne Rücksicht auf Verluste – die Investitionen pro Film gingen dabei flott in den siebenstelligen Bereich. 2002  musste Kirch Insolvenz anmelden, 2004 kaufte der Geschäftsmann Jan Mojto die internationalen Rechte an Kirchs Filmbibliothek, Unitel inbegriffen, für angeblich 60 Millionen Euro aus der Konkursmasse heraus. Und nun geht es an die Vermarktung der kostbaren Schätze.

Das Label DGG hat nun die erste Folge einer auf vier Jahre geplanten Unitel-Edition herausgegeben, darunter Opern von Mozart bis Puccini – Mainstream-Repertoire, wie es auch ein Karajan liebte. Es handelt sich dabei aber nicht einfach um abgefilmte Bühnenaufführungen, sondern um Verfilmungen in Studiodekors oder sogar an Schauplätzen im Freien. Das bedeutet nicht nur einen erheblichen finanziellen Aufwand, u.a. weil der Soundtrack im Studio vorproduziert werden muss, sondern es hat auch künstlerische Konsequenzen; eine Oper verändert sich, wenn sie aus dem ästhetischen Rahmen des Bühnenportals herausgenommen und in neue Räume verpflanzt wird.

Bei der Tosca-Produktion von 1976 handelt es sich um eine genuine, in sich absolut stimmige Outdoor-Verfilmung. Die Musikaufnahmen mit Raina Kabaivanska, dem strahlend jungen Plácido Domingo und Sherrill Milness in den Hauptrollen entstanden in London. Der Film in der Regie von Gianfranco de Bosio wurde hingegen an den Originalschauplätzen in Rom  gedreht: In der Kirche Sant’Andrea della Valle, im Palazzo Farnese und in der Engelsburg am frühen Morgen. Am Schluss springt die Tosca tatsächlich von der Zinne in die Tiefe. Abgesehen von ihrer „authentischen“ Wirkung hat diese Inszenierung, die auf alle Opernmätzchen verzichtet, auch den  Vorteil, dass nach Toscas „Vissi d’arte“ das obligate „Brava!“-Geblök des Publikums entfällt und man sich ganz auf die Musik und das Geschehen konzentrieren kann.

In Madama Butterfly mit Mirella Freni und Plácido Domingo, inszeniert 1974 von Jean-Pierre Ponnelle, dient das zerbrechlich-transparente Ambiente eines japanischen Hauses als Schauplatz der grausamen Story zwischen dem amerikanischen  Marineleutnant und der zum Spaß geheirateten jungen Japanerin. In der Befreiung aus der Enge der Opernbühne zeigt sich das 1904 uraufgeführte Stück von ungebrochener Aktualität: Ein Drama über den Zusammenprall der Kulturen, das mit psychologischer Präzision die Machtverhältnisse der Geschlechter auf den Punkt bringt und dabei drei Jahrzehnte Frauenliteratur locker in den Schatten stellt. Zumal mit der auf großartige Weise parteiergreifenden Musik Puccinis, deren Farbreichtum von den Wiener Philharmonikern unter Karajan mit dramatischer Intensität entfaltet wird.

© Max Nyffeler 2005

DVD: Giacomo Puccini: La Tosca / Regie: Gianfranco de Bosio. Raina Kabaivanska, Plácido Domingo, Sherrill Milnes, New Philharmonia Orchestra, Ltg. Bruno Bartoletti / Bild: 4:3, NTSC / Ton: PCM Stereo und DTS 5.1 / 115 min. /  DGG 00440 073 4038
Giacomo Puccini: Madama Butterfly / Regie und Ausstattung: Jean-Pierre Ponnelle. Mirella Freni, Plácido Domingo, Christa Ludwig, Wiener Philharmoniker, Ltg. Herbert von Karajan / Bild 4:3, NTSC / Ton: PCM Stereo und DTS 5.1 / 145 min. / DGG 0440 073 4037

(Juli/2005)

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