Werke von Hartmann, Schnebel und FerneyhoughNeue CDs im Februar 2007Karl Amadeus Hartmann: Das Klavierwerk (Benedikt Koehlen, Klavier) Das bekannteste Klavierstück des 1963 verstorbenen Karl Amadeus Hartmann ist die Sonate „27. April 1945“, skizziert an jenem Tag kurz vor Kriegsende, als er beobachten konnte, wie ein Elendszug von KZ-Häftlingen an seinem Haus vorbeigetrieben wurde. Die Komposition, ein erschütterndes zeitgeschichtliches Dokument, ist das letzte von Hartmanns Klavierwerken, deren Gesamtaufnahme Benedikt Koehlen nun in höchst kompetenter Weise eingespielt hat. Aufschlussreich für Hartmanns Entwicklung sind die Frühwerke der zwanziger und dreißiger Jahre: die beiden Suiten mit ihrer sensiblen Zweistimmigkeit, die jazzige Toccata und Fuge, der an Bartók und Strawinsky geschulte harte Zugriff in der Sonatine und der Sonate von 1936. Eine lohnende Entdeckung. (Telos TLS 055) Dieter Schnebel: Orchestra (Studierende und Lehrende der Berliner Hochschulen) „Herr Schnebel scheint anzunehmen, dass diese Lernprozesse erst anhand seines Stückes vollziehbar sind“, stand auf einem Flugblatt, das die Orchestermusiker 1978 bei der Kölner Uraufführung von Dieter Schnebels Orchestra an das Publikum verteilten. Mit seinem experimentellen Werk forderte der Komponist von den Musikern eine „Befreiung von den eingeübten Zwängen“, doch sie reagierten bockig. Fast dreißig Jahre später haben nun Lehrende und Studierende der beiden Berliner Hochschulen diese „symphonische Musik für mobile Musiker“, so der Untertitel der Partitur, erneut auf den Prüfstand gestellt. Die ungewohnten solistischen und kollektiven Aktionen haben ihre negative Aura verloren, die Interpreten widmen sich ihrer Aufgabe mit hörbarem Vergnügen. (Wergo 6674 2) Brian Ferneyhough: Funérailles (Ensemble Recherche, Arditti Quartett, Ltg. Lucas Vis) Brian Ferneyhough wird wegen seiner komplexen Schreibweise zu Unrecht in die Ecke der trockenen Zerebralvirtuosen gestellt. Welche latente Dramatik und Bildkraft hinter seinem intellektualistischen Ansatz steckt, zeigte 2004 sein Bühnenwerk Shadowtime. Auch die vier zwischen 1969 und 1999 enstandenen Kammermusikwerke sind nicht nur Strukturgebilde, sondern auch auch Klangerzählungen. Die frühen Funerailles I und II ertasten sich noch vorsichtig ihren Raum, Bone Alphabet von 1991 erkundet den rituellen Charakter der Perkussionsinstrumente, das Solostück Unsichtbare Farben spielt Irvine Arditti mit sprechendem, sogar leidenschaftlichem Tonfall. Wenn die Interpreten ihr Struktur-Schneckenhaus verlassen, bekommt das Ferneyhoughs Musik gut. (Stradivarius STR 33739) © Max Nyffeler (Februar/2007) zurück zu CD-Rezensionen, Labelportraits |