Slow motion und SchubertiadenNeue Aufnahmen von Rihm, André, Romitelli, Francesconi, Schnebel u.a. sowie der Akkordeonistin Margit KernEin Hörabenteuer der besonderen Art bieten das phänomenale Ensemble Recherche und die Sopranistin Salome Kammer unter der Leitung von Lucas Vis mit zwei neueren Werken von Wolfgang Rihm, Sphäre um Sphäre und Frage. Das frühere expressive Ungestüm des Komponisten wird hier zu einem untergründig aufgestauten Energiepotenzial gebändigt, das die Musik in einem Zustand konstanter Binnenspannung hält. In der Gestaltung von Detail und formalem Verlauf erweist sich Rihm nicht nur als raffinierter Klangdramaturg, sondern auch als begnadeter Instrumentationskünstler. (Wergo 6677 2) Die Musik des 41-jährigen Franzosen Mark André bewegt sich mit Vorliebe an den Rändern des Klangs und der Wahrnehmung. Sie bezieht ihre Spannung aus der Konzentration auf geräuschreiche, messerscharf konturierte Klanggesten, denen er ein Maximum an Expressivität abpresst. In den Aufnahmen mit dem Ensemble Alternance und dem Bariton Robert Isherwood kommt das Kantige, Abgründige dieser Musik optimal zur Geltung. Die Tontechnik brilliert mit krachenden Harfenklängen, obertonreichem Stimmklang und suggestiver Raumwirkung. (3D Classics, 3D8035) An Index of Metals, die Video-Oper des vor anderthalb Jahren früh verstorbenen Fausto Romitelli, ist nun in einer Doppeledition auf CD und DVD erschienen. Elektronisch verfremdete Klangmassen winden sich schlierenförmig durch den Raum und kontrastieren wirkungsvoll mit rhythmischen Störgeräuschen und Pseudo-Schellackrauschen. Die abstrakte slow motion-Ästhetik der Videokünstler Paolo Pachini und Leonardo Romoli steht hinter der musikalischen Imagination nicht zurück. (Cypres CYP5622) Das Akkordeon als Instrument der neuen Musik hat inzwischen eine längere Geschichte. Mit Werken von sieben Komponistinnen und Komponisten zeigt Margit Kern nicht nur das weite Spektrum der heutigen Möglichkeiten, für das Instrument zu schreiben, sondern sie erweist sich mit ihrer Vielseitigkeit auch als führende Vertreterin ihres Fachs: Eine Vollblutmusikerin, die die Charakteristik jedes Werks intuitiv aufzuspüren versteht. (Edition Zeitklang ez-22024) Die Klangsinnlichkeit des italienischen Vokalstils von Monteverdi bis Nono prägt die Chorkomposition Let me bleed von Luca Francesconi. Mit großer expressiver Geste erinnert sie an den 2001 bei einer Demonstration in Genua von der Polizei erschossenen Carlo Giuliani. Das zweite Werk, Terre del Rimorso, lässt die archaische Welt der süditalienisch-griechischen Antike wiederauferstehen ein dramatisches Klanggemälde, unter der Leitung von Peter Eötvös in packender Intensität zur Aufführung gebracht. (stradivarius STR 33683) Unter dem Titel Schubert Dialog stellen die Bamberger Symphoniker unter Jonathan Nott vier heutige Annäherungen an die Schubertsche Klangwelt vor. Jörg Widmann, Wolfgang Rihm, Bruno Mantovani und Dieter Schnebel zeigen mit ihren sehr unterschiedlichen Versuchen, dass das kompositorische Potenzial des Romantikers noch längst nicht ausgeschöpft ist. (Tudor 7132) © Max Nyffeler (Februar/2006) zurück zu CD-Rezensionen, Labelportraits |