Neues von Unsuk Chin, Salvatore Sciarrino und Alexander Knaifel, Altes von John Adams

Kurzrezensionen von neuen CDs

Die heftig geförderte Koreanerin Unsuk Chin macht eine steile Karriere, seit sie in den USA den hochdotierten Grawemeyer Award gewann. Eine Porträt-CD mit dem Ensemble Intercontemporain stellt sie als technisch versierte, mit viel Klangfantasie begabte Komponistin vor, in deren hart konturierten Klanggesten Reste koreanischer Tradition anklingen. Eine Musik mit leuchtenden Farben und rhythmischer Power. (DGG 00289 477 5118)

Salvatore Sciarrino, ein Meister der manieristischen Verfeinerung des Klangs, überrascht in einer von ihm selbst gestalteten CD als Bearbeiter historischer Vorlagen mit erheblichem nachschöpferischem Potenzial. Bachs Toccata und Fuge für Orgel in d-moll übertragt er irrwitzigerweise auf die Flöte, Cembalo-Sonaten von Scarlatti aufs Streichquartett, und die von ihm schon als Oper vertonte Geschichte des Gattenmörders Gesualdo di Venosa bearbeitet er mit burlesken Madrigalismen als Puppentheater für Stimme, Saxophone und einen Gläser zertrümmernden Schlagzeuger. Keine zunftgerechte „Neue Musik“, aber Dokument einer geistreichen Relektüre der Tradition durch einen mit allen Wassern gewaschenen Zeitgenossen. („Histoires d’autres histoires“, zigzag territoires, ZZT 040802/ Vertrieb: Harmonia Mundi)

Wer’s gerne meditativ mag, kommt beim St. Petersburger Alexander Knaifel auf seine Rechnung. Psalm 51 (50) spielt Mstislav Rostropovitch als Cellosolo in ätherisch hoher Sopranlage, Amicta Sole („Sonnenumhüllt“) für Sopransolo, Frauenchor und Orchester entführt in die Welt der orthodoxen Kirchenmusik, mit zerfließendem Raumklang und auratischen Harmonien – eine Andachtsmusik, die vom Hörer strikte Hingabe verlangt. („Amicta Sole“, ECM 472 0832)

Vier ältere Orchesterwerke von John Adams veröffentlicht Naxos in der Reihe American Classics. Die Auswahl zeigt: Am überzeugendsten wirkt Adams noch immer in seinen schnellen, mit dichten rhythmischen Überlagerungen gearbeiteten Stücken wie dem kurzen, ekstatisch funkelnden Short Ride in a Fast Machine. Bereits historische Patina angesetzt haben die für Streichorchester bearbeiteten, minimalistischen Shaker Loops, mit denen Adams in den siebziger Jahren Furore machte. (Naxos  8.559031)

© Max Nyffeler

(5/2005)

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